Es gibt eine Menge Metaphern und Redewendungen darüber, dass Menschen Mauern um sich herum aufbauen oder Fassaden aufziehen, die irgendwann einmal zu bröckeln beginnen. Und ja, es stimmt: Wir bauen oft eine hübsche Fassade auf, die möglichst vielen Menschen gefallen soll und verstecken das, was sich dahinter verbirgt. Die Gründe dafür sind vielseitig:
- Wir vertrauen anderen Menschen nicht
- Wir können uns selbst nicht annehmen/lieben und befürchten, dass andere das erst recht nicht tun werden
- Wir fühlen uns ständig von anderen bedroht und haben das Gefühl, uns beschützen zu müssen
- Wir haben das Gefühl, nur akzeptiert zu werden, wenn wir dieselbe Ausstrahlung haben wie der Rest der Gesellschaft
Der Doppelagent im Alltag
Das, was aus dieser Verhaltensweise resultiert, ist eine Art Doppelleben. Du bist im alltäglichen Leben jemand, der du eigentlich gar nicht bist. Du tust Dinge, die du hinter deiner Fassade niemals tun würdest:
- Du lächelst, wenn du eigentlich deprimiert bist
- Du erklärst dich für etwas einverstanden, obwohl du gar nicht wirklich einverstanden bist
- Du sagst, dass du etwas cool findest, das du eigentlich überhaupt nicht magst
- Du streitest, obwohl du am liebsten nur deinen Frieden hättest
- Du versuchst Selbstbewusstsein auszustrahlen, obwohl du dich in Wirklichkeit kaum mit dir selbst beschäftigst
- usw, usw.
So wie jedes Doppelleben kann auch dieses nicht ewig funktionieren. Und in diesem Beispiel hat es einen ganz einfachen Grund: Wenn du dich mit deiner „Rolle“ mehr auseinandersetzt als mit dir selbst, wirst du diese „Rolle“ besser kennenlernen als dich selbst. Du wirst ein Selbstbewusstsein für diese „falsche Person“ entwickeln und immer mehr aus den Augen verlieren, wer da wirklich hinter der Fassade sitzt und immer einsamer wird.
Warum es bröckelt
Es ist erstaunlich, wie lange wir es schaffen, gegen unsere Natur zu leben. Was unsere mentalen Schmerzgrenzen betrifft, sind wir oft wesentlich zäher als im Hinblick auf die körperlichen. Und so kommt es, dass wir von Tag zu Tag mehr mit unserer „Rolle“ leben. Allerdings ist es nicht so, dass wir uns an sie gewöhnen und schließlich zu einem anderen Menschen werden. Nein, der Geist ist vielschichtig und wehrt sich dagegen, indem er Unzufriedenheit in unser Leben bringt. Er will damit bewirken, dass wir uns damit auseinandersetzen, warum wir plötzlich unzufrieden sind und der Lösung näher kommen.
Jedes Mal, wenn du lächelst, obwohl du traurig bist und jedes Mal, wenn du „ja“ sagst, obwohl du eigentlich „nein“ sagen möchtest, gibst du einen falschen Eindruck nach außen und lässt die richtige Empfindung innerhalb deiner Mauern. Dort löst sie sich nicht auf, sondern bleibt mit all den anderen unausgesprochenen Worten und ungezeigten Emotionen stehen. Es ist wie ein beengter Raum, in den immer mehr hineingeworfen wird. Irgendwann ist es so voll, dass du zu ersticken drohst und die Mauern um dich herum den Druck nicht mehr lange halten können. Das, was du ewig lange versteckt gehalten hast, bricht heraus. Du bist überfordert mit all dem, was plötzlich um dich herum ist und deine Mitmenschen sind mit dir überfordert, da sie das nicht haben kommen sehen.
Mach dich nackig
In der Realität ist es nicht einfach so, dass „Mauern“ einstürzen. Der Sturz dieser Mauern geht nicht selten mit Nervenzusammenbrüchen, Depressionen und großer Verzweiflung einher. Vielleicht kann man sogar so weit gehen zu sagen, dass dies auch ein Faktor für das Burnout-Syndrom ist.
Es geht nicht nur darum, einen solchen extremen Tiefpunkt zu vermeiden, sondern vor allem auch darum, jede Minute des Lebens unbelastet und selbstbewusst zu leben. Deshalb brauchen wir keine Fassaden. Wir brauchen nur Ehrlichkeit. Ehrlichkeit zu uns selbst und zu unseren Mitmenschen. Wer immer offen ist, trägt auch keinen emotionalen Ballast.
Lass die Hosen runter und lass die Leute wissen, wer du wirklich bist. Ich kann dir eins mit Sicherheit sagen: Du wirst viele Leute verschrecken und womöglich sogar verlieren, aber es werden die richtigen bleiben. Es bleiben die Leute, die dich wertschätzen, respektieren und lieben, so wie du bist. Nur ein solcher Mensch spielt in deinem Leben eine wichtigere Rolle als 200 Menschen, die nur dann etwas von dir wissen wollen, wenn du deine Fassaden aufgezogen hast.
Wenn es nur dich gibt und keine Rolle, dann gibt es auch nur eine Person, für die du ein Selbstbewusstsein entwickeln musst. Du wirst also wesentlich leichter Erfolg damit haben und es wird dir nicht mehr schwer fallen, dich selbst anzunehmen und zu lieben.
Du bist wie du bist und das ist gut so. Solltest du jemals das Gefühl haben, etwas verändern zu müssen, dann sollte dieser Wunsch von dir selbst kommen. Und wenn dieser Wunsch aufrichtig ist, dann wirst du auch keine Probleme damit haben, ihn in die Wirklichkeit umzusetzen. Als selbstbewusster Mensch sind dir keine Grenzen gesetzt.
Das Wort zum Freitag 🙂
Das waren ein paar Worte zu dem Doppelleben, das für sehr sehr viele Menschen den ganz normalen Alltag darstellt. Bitte vergiss niemals, dass die einzig wichtige Meinung über dich deine eigene ist. Und sie sollte nicht negativ sein, denn du hast nur dieses eine wunderbare Leben.
Ich wünsche dir ein wunderbares und ehrliches Wochenende. Vielleicht fallen dir ja ein paar Situationen ein, in denen du mal endlich die Hosen runterlassen könntest 🙂
Es ist schön, dass du dabei bist.
Michael
Hallo Michael,
ich danke dir für den Artikel in dieser Woche. Ich freue mich jede Woche auf deine Gedanken und kann diese auch wieder uneingeschränkt bestätigen. Ich habe mein „Doppelleben“ bereits abgelegt und viele andere Leute damit irritiert. Es ist mir auch nicht immer leicht gefallen, nicht wieder in alte Muster zurückzukehren, aber mit Unterstützung von lieben Menschen ist mir das dann doch gut gelungen und gelingt mir auch weiterhin.
Ich kann allen Mitlesern nur den Tipp geben, es genauso zu machen, Ihr werdet Euch viel besser fühlen, wenn Ihr Ihr selbst und damit ehrlich (vor allem zu Euch selbst) und authentisch seid.
Michael, ich wünsche dir auch ein wunderbares Wochenende
Manfred
Hallo Manfred,
vielen Dank für deine Bestätigung! Die Erfahrungen eines ehemals „Betroffenen“ teilen zu dürfen ist ein kostbarer Vorzug, den ich zu schätzen weiß. Du sprichst es bereits selbst an: Mit der Unterstützung von lieben Menschen gelingen die richtigen Schritte. Es freut mich, dass du diese „richtigen“ Menschen in deinem Leben hast.
Auch ich werde es mir dieses Wochenende gut gehen lassen, vielen Dank 🙂
Viele Grüße
Michael
Manchmal denke ich du kennst mich. Was ja nicht möglich ist. Danke fürs Augen öffnen. Genau deshalb lese ich diese Beiträge immer mit Hingabe und die vielen anderen Menschen sicher auch. Tristania
Möglich ist alles 🙂 Aber ich weiß schon, was du meinst. In Wirklichkeit teilen wir alle ähnliche Sorgen und haben nur gelernt, sie für uns zu behalten.
Vielen Dank für deine lieben Worte. Es ist mir jedes Mal aufs Neue eine große Freude.
Ich wünsche dir ein schönes Wochenende!
Viele Grüße
Michael