Es ist mit Sicherheit nicht leicht, aber es funktioniert!
Über die Lehren des Loslassens kann man ganze Bücher füllen. Man kann das Ganze aber auch mithilfe von zwei kurzen Worten zusammenfassen: Lass los. Klingt viel einfacher als es in Wirklichkeit ist. Das ändert jedoch nichts daran, wie simpel das Prinzip ist.
Unglaublich viele Menschen tragen Ballast der Vergangenheit mit sich. Sie knabbern ewig an Enttäuschungen, Verletzungen und Niederlagen, die sie erfahren haben. Diese negativen Erlebnisse haben ihre Lebenssituation verschlechtert und sie haben es nicht geschafft, sich danach wieder zu stabilisieren. Sie leiden und machen andere für ihre Situation verantwortlich. Als Autor und Coach erlebe ich das beinahe täglich.
Zu den häufigsten Kritikpunkten an meiner Arbeit gehört, dass ich es als „leicht“ darstelle, das Negative der Vergangenheit hinter sich zu lassen und einfach weiterzumachen. Viele Menschen schreiben mir, es gäbe Verletzungen, die so tief sitzen, dass man sich nicht davon befreien kann. Ich kann diese Gedanken sehr gut nachvollziehen. Wirklich. Manchmal, wenn andere mir ihre Leidensgeschichten schildern, verschlägt es mir den Atem. Da sind wirklich heftige Sachen dabei, die man erst einmal verarbeiten muss, aber dennoch lasse ich diese Geschichten nicht als Ausreden für ein unglückliches Leben durchgehen. Warum nicht? Weil sie vorbei sind und in der Vergangenheit liegen. Das mag vielleicht hart klingen, aber lass mich dir anhand eines Extrem-Beispiels erklären, was ich meine:
Eine Frau erzählte mir, sie sei von ihrem Ex-Mann vergewaltigt und zusammengeschlagen worden. Durch all die Verletzungen sitzt sie heute im Rollstuhl und muss sich mehrmals pro Woche verschiedenen medizinischen und psychologischen Therapien unterziehen. Das ist einfach nur grausam und ungerecht. Niemand sollte so viel Leid erfahren. Aber, und jetzt müssen wir ganz ehrlich sein, darf das Leben nach diesen Erlebnissen nicht mehr schön sein? Darf es keinen Spaß mehr machen? Ist es falsch, dennoch das Beste aus seiner Situation zu machen? Es braucht eine gehörige Portion Pragmatismus, um den folgenden Gedanken folgen zu können. Sie sind jedoch nur ehrlich. All diese grausamen Dinge sind der besagten Dame widerfahren. Das lässt sich jetzt nicht mehr ändern. Ihr Leben hat sich komplett verändert und freiwillig hätte sie sich diese Situation niemals ausgesucht. Aber ist ihr Leben nun vorbei? Oder wird sie vielleicht glücklicher, indem sie jeden Tag einen Groll hegt und sich über das beschwert, was geschehen ist?
Ich bin fest davon überzeugt, dass das Leben das ist, was man daraus macht. Wir suchen uns nicht aus, welches Blatt ausgegeben wird, aber wir können entscheiden, wie wir das Blatt spielen. Es passieren oft Dinge, die wir nicht wollen. Auf das „Schicksal“, wenn man es so nennen will, haben wir keinen Einfluss. Wir können immer nur dafür sorgen, dass wir trotz aller Umstände ein zufriedenstellendes Leben führen. Und ja, das geht meiner Meinung nach auch, wenn wir unglaublich Schreckliches durchlitten haben. Ich habe Menschen kennengelernt, die schlimme Suchterkrankungen hinter sich gebracht haben und ihre Erfahrungen heute mit anderen teilen, um ihnen zu helfen. Ich habe Menschen kennengelernt, die auch mit schwerwiegenden Erkrankungen ein glückliches Leben führen. Da sind Menschen, deren Familienangehörige ermordet wurden und sie haben trotzdem ihren Frieden mit dem Geschehenen gemacht und nehmen weiterhin am Leben teil. Viele meiner Leserinnen und Leser wissen ja auch, was mir widerfahren ist und warum ich heute Bücher schreibe.
Niemand sagt, dass es einfach ist, die Vergangenheit loszulassen. Niemand sagt, dass es angenehm ist, seinen Frieden zu finden. Aber genauso zwingt niemand einen dazu, ewig am Schrecken von gestern zu hängen. Wir tun das selbst und alles, was uns damit verbindet, sind unsere eigenen Gedanken. Unsere eigenen Gedanken, die niemand anderes steuern kann als wir selbst!
Eine erstaunliche Erkenntnis
Die meisten Menschen glauben, ein schönes, glückliches und friedvolles Leben habe immer nur mit Leichtigkeit zu tun. Was für ein Irrglaube! Wir müssen uns die guten Dinge des Lebens hart erarbeiten. So, wie wir uns finanziellen Reichtum erarbeiten müssen, ist die Persönlichkeitsentwicklung auch ein ganz schönes Stück Arbeit! Es macht nicht immer Spaß, sich selbst und seine Gedanken zu hinterfragen. Es ist bestimmt nicht angenehm, den Finger in die Wunde zu legen, alte Erinnerungen hochkommen zu lassen oder einen objektiven Blick auf seine problematische Situation zu werfen. Allerdings ist das nötig, um sein Leben zu verbessern.
Und auch hier müssen wir noch einmal vollkommen ehrlich sein: Ist es nicht besser, sich mit unangenehmen Wahrheiten auseinanderzusetzen, um danach frei zu sein, als ewig unter derselben Misere zu leiden, die ohnehin schon längst der Vergangenheit angehört?
Um noch einmal auf das eben genannte Beispiel zurückzukommen: Was dieser Frau widerfahren ist, ist grausam. Das hat sie sich nicht ausgesucht. Aber soll sie nun ewig darunter leiden? Soll sie keine Lebensfreude mehr empfinden? Soll sie ewig jemanden hassen, der aufgrund seiner Abscheulichkeit ohnehin nur zu bemitleiden ist? Soll sie jeden potenziell schönen Tag ihres Lebens von dem überschatten lassen, was einst war?
Natürlich sind die Konsequenzen dieser Erfahrungen aktuell. Natürlich kann sie immer noch spüren, was geschehen ist. Und auch hier sollten wir noch einmal ganz ehrlich und objektiv denken:
Die Ausgangssituation ist nicht die beste, aber man kann mit ihr arbeiten. Das ist immer noch besser als gar keine Option zu haben. Immer noch besser als in der Situation festzustecken, in der man einst war. Der Schrecken ist nun vorüber. Man ist frei, wenn auch noch nicht gedanklich. Es wird Zeit für den Geist, mitzuziehen. Es wird Zeit, seinen Frieden zu machen.
Was will man denn von der Vergangenheit? Gerechtigkeit? Rache? Dass auf magische Weise die Zeit zurückgespult wird und alles anders kommt? Guten Morgen und herzlich willkommen in der Realität. All das wird nicht passieren. Es gibt jetzt nur noch eine Person, die die Situation verbessern kann und das ist man selbst.
Es ist NICHT leicht
Wie gesagt, es beschweren sich viele Menschen bei mir darüber, ich würde das Loslassen als leicht bezeichnen. Also betone ich erneut: Es ist NICHT leicht, ABER es ist die Mühe wert. Es ist der Schlüssel zu einem friedlichen Leben. Zu einem Leben, in dem man eine beschissene Ausgangssituation nimmt und aus ihr ein glückliches, selbstbestimmtes Leben formt. Ich habe viele Menschen kennengelernt, die das geschafft haben und zähle mich auch selbst dazu. Ich habe großen Respekt vor der Fähigkeit, Verantwortung zu übernehmen und seinen Frieden mit dem Leben zu machen. Ich habe großen Respekt vor der Fähigkeit, anderen zu vergeben. Vor allem aber habe ich großen Respekt vor denen, die nie den Mut verlieren, sich niemals beschweren und einfach ihr Ding durchziehen. Völlig unabhängig davon, WAS früher einmal geschehen ist.
Ich hoffe, dass diese Gedanken anderen dabei helfen werden, loszulassen. Beim Loslassen geht es nicht darum, Leichtigkeit zu verspüren. Es geht darum, loszulassen. Egal, wie schwer das auch sein mag. Denn noch schwerer ist, niemals loszulassen. Ich wünsche dir viel Erfolg dabei.
Es ist schön, dass du dabei bist.
Michael
Titelbild: Unsplash.com, © Radu Florin
Lieber Michael,
die von Dir beschriebene Geschichte der armen Frau und auch was Dir einst widerfuhr, sind Umstände die absolut tragisch sind.
Es gibt aber viele Fälle, die etwas alltäglicher sind. Die Situationen in denen man sich ungerecht behandelt fühlt-oft über Jahre – sei es in Arbeitsverhältnissen oder in misslungenen Ehen oder Beziehungen etwa. Ich finde-immer dann wenn man-auch wenn es wehh tut- seine eigene “ Mitschuld“ betrachtet, kann man besser und einfacher loslassen.
Einher geht häufig die Stärkung des eigenen Verantwortungsgefühls und Wachstums.
Dir wünsche ich ein schönes Wochenende
und herzliche Geburtstagswünsche im Nachhinein 😉
Elke
Hallo Elke,
dem gibt es wirklich nichts hinzuzufügen. Das hast du sehr gut geschrieben und ich stimme dir vollkommen zu.
Vielen Dank auch für deine lieben Glückwünsche! 🙂
Ich wünsche dir ebenfalls ein schönes Wochenende.
Viele Grüße
Michael
es ist durchaus einfach (zum Beispiel) los zu lassen.
Der Knackpunkt liegt mehr im Anfang an sich. Meist ist es eine völlig neue Ebene die ein Mensch betritt. Da fehlt jegliche Erfahrung bzw. Referenzwert. Du gehst in völlig unbekannte Bereiche. Kommen noch bestimmte Aspekte hinzu wie „Umgang mit Trauer“ oder „Umgang mit Trauma“ steht man erstmals in einer solchen Lage wie vor einer riesigen Wand oder im tiefsten dunklen Wald.
Man kann Wege durch diese Situationen noch so gut noch so einfach oder noch so komplex beschreiben es wird sich für jeden Mensch mal so mal so anhören.
Die Schwierigkeit liegt eben im ersten Schritt. Stell dir diese riesige Wand vor die auch noch total bedrohlich aussieht. Wer macht da ach so gerne einen Schritt auf die Wand zu? Da hat man Angst Sorgen Nöte uvm. und (hört sich jetzt doof an ist aber so) das ist völlig normal und sogar gut. Es zeigt dir das du dir den Mensch in dir selbst bewahrt hast kein kaltes Ding bist was nur noch eher sinnlos funktioniert.
Beim ersten Schritt erstmals in einem Extrem wird dir salopp das Herz in die Hose rutschen und dir wird so ziemlich alles durch den Kopf (schmunzel und in die Hose) gehen. Absolu ok du bist Mensch das ist normal.
Wenn du noch noch vor einer Masse gesprochen hast wird dir wahrscheinlich vor dem Auftritt das passieren was man Lampenfieber nennt. Ging mir auch so. Heute sind mir Massen sehr lieb. Je mehr desto besser usw. Ich freue mich regelrecht auf Masse. Du siehst mit der Zeit wird aus der Angst im ersten Schritt eine Freude.
Es soll nicht abwertend gesehen sein. Der Verlust eines Menschen oder ein Extrem überlebt zu haben bedeutet auch nach dem Tot oder dem Extrem wieder den ersten Schritt zu machen und gerade solche Schritte können echt übel schwer sein. Dennoch sollten sie getan werden denn das ist dein persönlicher Schritt in deinem Leben in dem du lebst und du weiter kommen willst. Alles andere ist „auf der Stelle treten“ und ist weder vor noch zurück.
Hallo Michael,
ich bin relativ neu hier in deinem Block und bin über deine Arbeit durch das Buch „Erfolgsgarantie“ gestoßen, denn es hat mich neugierig gemacht. Auch diesem Text über das Loslassen kann ich nur zustimmen, es ist gewiss nicht leicht, aber auf mittel- und langfristige Sicht macht es frei und unabhängig. Das konnte ich am eigenen Leib erfahren. Ich übernehme nun Verantwortung für mein Leben und nutze die Erfahrung, um weiterzukommen. Ich bin viel selbständiger geworden – und das ist nur einer der Vorteile. Leider kann sich mein Freund nicht so einfach von seiner Geschichte „verabschieden“. Er hat einen schlimmen Verlust erlitten und darauffolgende Enttäuschungen in seiner Familie haben ihn sehr gekränkt. Er beschäftigt sich so viel damit, anstatt es doch einmal ruhen zu lassen und nach vorne zu schauen. Ich rede mit ihm darüber, doch er hängt noch deutlich in dieser „Denke“ und Opferrolle. Es sind Baby-Schritte, die er geht. Zum Glück. Ich würde ihn gern unterstützen und lebe ihm auch meine Glaubenssätze vor, aber ihm gefällt die Opferrolle wohl doch noch sehr, um das mal so auszudrücken. Ich frage mich – und dich – wie ich ihn unterstützen kann. Ich will ihn schließlich nicht „bekehren“. Das würde eh nur auf Ablehnung stoßen. Vielleicht hast du dazu eine Idee?
Vielen Dank für den guten eindrücklichen Artikel!
Gruß
Katharina
Lieber Michael, mir wurde in meinem Leben auch schon sehr übel mitgespielt, aber daß hat mich durch eben dieses Hinterfragen der Situation in der ich gesteckt bin immer wieder dazu gebracht weiter zu machen, den Glauben an die Menschheit nicht zu verlieren und vor allem nicht zu verzweifeln.
Ich musste auch sehr viel an mir arbeiten,an meinem Selbstwert, meiner Selbstachtung und daran dass auch ich das Recht habe glücklich zu sein. Ich musste auch lernen, daß ICH und kein Anderer dafür zuständig ist ob ich glücklich bin. Ich bin ein Mensch der sehr auf der gefühlvollen,empatischen Welle lebt.
Deshalb habe ich mich immer gefragt und sage auch zu meinen Freunden, lohnt es sich an dem was in der Vergangenheit war festzuhalten oder ist es nicht einfacher in der Gegenwart zufrieden zu leben um daraus den Grundstock für eine gute Zukunft zu schaffen, in der ich dann auf ein gelungenes Leben zurückblicken kann.
Heute geht es mir trotz gesundheitlicher Einschränkungen sehr gut und ich lebe MEIN Leben.
Ich hoffe ich konnte mich verständlich mitteilen?
Dir auch noch liebe Geburtstagsgrüße von mir. Alles Liebe, mach weiter so!
Chris
Hallo Chris,
ohne Zweifel machen uns unsere Erfahrungen zu den Menschen, die wir heute sind. Warum sollten wir unsere Situation hinterfragen, wenn wir nicht mit Nachdruck dazu gebracht werden? Ganz vorsichtig ausgedrückt kann man sagen, dass wir „froh“ sein können, gewisse Dinge erlebt zu haben. Sie haben uns geprägt und lassen uns das Leben heute umso mehr wertschätzen. Vorausgesetzt natürlich, dass wir die Lektionen verstehen und das Jetzt auch wirklich wertschätzen.
Ich stimme dir darin zu, dass es besser ist, die Gegenwart zu genießen. Das ist der Grundstein für eine bessere Zukunft. Eine echte Win-Win-Situation.
Vielen Dank für deine Glückwünsche! Ich wünsche dir auch weiterhin alles Gute und natürlich ein schönes Wochenende.
Viele Grüße
Michael